Wir wollen Wildnis – aber nicht vor der Haustür

11.06.2013

Der heftige Streit im Nordschwarzwald gegen das von der Landesregierung geplante Nationalpark-Projekt macht sich wieder einmal an Themen fest, die auch schon überall dort zu heftigsten Auseinandersetzungen geführt haben, wo zwischenzeitlich ein solcher Nationalpark realisiert wurde oder auch gescheitert ist (www.nordschwarzwald-nationalpark.de).

Meist sind es Themen der Holzversorgung, einer vermeintlichen Borkenkäfergefahr oder schlicht das freie Betretungsrecht, das die Menschen gegen Wildnis vor der eigenen Haustür in Rage versetzen kann. Wobei Wildnis als ersehnter Standort für Rückbesinnung, Abenteuer oder als Urlaubsziel aber absolut im Trend liegt.

Im Nordschwarzwald völlig neu war und ist aber der heftige Widerstand aus dem Bereich touristischer Dienstleister. Denn vor allem sie werden es sein, die vom Nationalpark profitieren, so er denn einmal eingerichtet wurde. Da würde es sich lohnen, einmal bei den Hoteliers, Gastronomen oder Ferienwohnungsbesitzern nachzufragen, welche mit ihrem Nationalpark als Alleinstellung heute attraktive Angebote unterbreiten können. Partnerschaften von Nationalpark-Gastgebern oder die immer zahlreicher sich selbstbewusst präsentierenden Nationalpark-Gemeinden unterstreichen diesen Wandel in der Einstellung von zunächst „betroffenen Bewohnern oder Unternehmer“ sehr eindrucksvoll.

Quelle: AHGZ

Der hohe Erkenntnisgewinn für den Umgang der Fortwirtschaft mit Borkenkäfer-Kalamitäten war nur möglich, weil der Nationalpark Bayerischer Wald hierzu ein mehrere tausend Hektar großes Experimentierfeld bot. Heute wachsen auf diesen Flächen wieder optimal gemischte und strukturierte Waldbestände heran.

Auch die Erkenntnisse gezielt gefluteter Hochwasserwellen an der Oder in Auenflächen des dortigen Nationalparks haben deutlich gemacht, wie die unermesslichen Hochwasserschäden, die wir ganz aktuell an Elbe und Donau wieder erleben höchst wirksam reduziert werden können. Und wir können noch etwas anderes wahrnehmen, es wächst ganz langsam bei den Menschen in den Überflutungsgebieten eine neue Solidarität – nicht nur mit unmittelbaren Nachbarn – sondern auch mit Menschen weit unterhalb des Stromes im Einzugsgebiet des Flusses. Das Denken in natürlichen Zusammenhängen wird durch solche Naturereignisse wieder geweckt. In keinem Naturpark auf dieser Erde – da Naturparke von den Nationalpark-Gegnern immer als bessere Alternative bezeichnet werden – hätten derartige Experimente in solchen Dimensionen durchgeführt werden können. Solche bedeutenden Erkenntnisse erhalten wir nur aus den Nationalparken.

Sie bieten mit ihren überall transparenten Einblicken in das Instrumentarium der Selbstregulation der Natur jederzeit solche Erkenntnisgewinne, auch ganz ohne eine Existenzen bedrohende Katastrophe. Sie lehren uns den Unterschied zwischen einem unabwendbaren Naturereignis und tatsächlichen Katastrophen, die in der Regel durch menschliche Fehlentscheidungen ausgelöst wurden. Nationalparke bieten also weit mehr als Vorteile für den Naturschutz oder den Tourismus (www.europarc-deutschland.de).

FUTOUR hat in zahlreichen Regionen aktiv die Diskussionen um die Ausweisung oder auch Erweiterung von Nationalparken begleitet. Dabei wurde auch die Erfahrung gewonnen, dass die meisten Menschen nur durch sehr frühzeitige und äußerst umfassende Informationen vom skeptischen Gegner zum begeisterten Befürworter gewonnen werden können. Es ist freilich auch eine Erfahrung, dass dieser Prozess umso schwerer wird, je näher die Diskussion an den Außengrenzen des geplanten Nationalparks geführt wird.

Kontakt: Dieter Popp